Immer die gleichen Konflikte – und die regelmäßig
Kinder in der Pubertät sind eine unerschöpfliche Quelle für schwierige Erziehungsentscheidungen. Dabei sind es nur einige wenige Punkte, über die es mit schöner Regelmäßigkeit zu Konflikten kommt: Schulleistungen, Zimmer aufräumen, helfen im Haushalt, zu spät nach Hause kommen, Fernsehen, Computer, Handy, „anständige“ Kleidung, respektloser Umgang, problematische Freunde. Eine ziemlich überschaubare Liste.
Jörn und Tina stehen vor der Frage, ob sie das Handy von ihrer 13-jährigenTochter für eine bestimmte Zeit einkassieren sollen. Grund ist, dass sie dreimal in der Schule waren, weil ihre Sandra das Handy im Unterricht benutzt hat, um seelenruhig SMS zu schreiben und zu empfangen. In solchen Fällen wird das Handy vom Lehrer eingezogen und beim Schulleiter zum Abholen durch die Eltern deponiert (peinlich für Tina). Alle Ermahnungen haben nichts genützt. Jetzt liegt das Handy wieder beim Schulleiter! Jörn und Tina sind sich uneinig darüber, welche Entscheidung sie treffen sollen: Das Handy für einige Wochen einkassieren und eine Riesen-Auseinandersetzung mit Sandra zu riskieren oder Sandra doch noch eine letzte Chance zur Besserung zu geben. „Außerdem braucht das Mädchen ja das Handy, wenn etwas passiert….“, meint Jörn, während es für Tina „ jetzt reicht!“
Fünf Schritte in der Gesprächsführung
Die beiden Eltern entscheiden sich dafür, ein weiteres Gespräch mit Sandra zu führen, dieses Mal jedoch mit guter Vorbereitung, so dass sie ihre Souveränität und Gelassenheit bewahren und ihr konkretes Anliegen klar, ruhig und konsequent rüberbringen. Sie benutzen dabei die folgenden 5 Schritte als Vorbereitungs-Konzept und Gesprächsleitfaden (in Anlehnung an das Kommunikation-Konzept von Rosenberg):
1. Positive Rückmeldung geben
Auf welches Verhalten von Sandra sind wir stolz, was hat uns in der letzten Zeit gefreut, was hat uns an ihr beeindruckt?
„Wie du dich am Sonntag um die Oma kümmerst hast, war ganz super und deine Mühe und Büffeln um die Verbesserung von vier auf drei in Mathe ist echt bewundernswert. In dem Kleid, das du dir für die Hochzeit in Bremen ausgesucht hast, sahst du umwerfend aus, olala…“
2. Fakten und Beobachtungen benennen
Wir benennen klar die Fakten. Dabei werden nur eigene Beobachtungen benannt, die eindeutig belegbar sind.
„Am 5.3, 18.3. 2.4. und 4.4. hat Sandra das Handy im Unterreicht benutzt und trotz jeweils mehrfacher Ermahnung des Lehrer nicht damit aufgehört. Tina musste an den ersten drei Terminen in die Schule, um das Handy für Sandra abzuholen“.
3. Ausgelöste Gefühle ausdrücken
Das problematische Verhalten hat Gefühle bei uns ausgelöst: Trauer? Ärger? Wut? Resignation? Sorge? Irritation? Enttäuschung? Verzweiflung? Stress?
„Wir sind wütend (Jörn) und beschämt (Tina) darüber, dass sich das Handy-Verhalten in der Schule trotz mehrfacher Gespräche und Ermahnungen nicht geändert hat. Ich möchte nicht wieder einen Bittgang machen und mir die Vorhaltungen des Schulleiters anhören (Tina)“.
4. Eigene Überzeugungen / Bedürfnisse klären
Hinter den Emotionen stehen bei uns Werte, Überzeugungen, Anliegen und Bedürfnisse, die uns sehr wichtig sind.
„Uns ist wichtig, dass du Menschen mit Respekt begegnest und deren Anliegen ernst nimmst, das gilt auch für Lehrer. Und es ist uns wichtig, dass du weißt, was wann dran ist. Der Austausch mit Freundinnen hat seine Zeit, das Lernen in der Schule hat seine Zeit…“
5. Eine klare Erwartung formulieren
Wir geben Sandra Orientierung, indem wir Erwartungen formulieren und deren Umsetzung einfordern (anders als z.B. Drohungen, Schmeicheleien oder bloße Wünsche und Bitten).
„Sandra, wir erwarten von dir, dass du ab sofort dein Handy während des Unterrichts ausgeschaltet lässt.“
Kaum zu glauben, aber wirksam!
In dem Gespräch mit Sandra halten sich Jörn und Tina strikt an diesen Leitfaden und machen zu jedem Punkt nur ganz knappe Worte ohne lange Erklärungen. Wieder Erwarten kochen die Emotionen dieses Mal nicht hoch. Alle Beteiligten bleiben erstaunlicherweise relativ cool. Und Sandra lässt sich auf die konkrete Vereinbarung ein, das Handy im Unterricht auszuschalten.
Tina macht sich am nächsten Tag wieder auf den Weg nach Canossa in die Schule, um sich erneut anzuhören, dass ihre Tochter kurz vor einer Klassenkonferenz steht und nimmt Sandras Handy in Empfang und gibt es Sandra zurück.
Kaum zu glauben, aber bis jetzt hat sich Sandra an die Vereinbarung gehalten.
Kennen Sie solche Erziehungs-Entscheidungen?
Praktischer Leitfaden/Checkliste
Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, melden Sie sich mit untenstehendem Mail-Formular. Sie erhalten per Mail kostenlos eine kleine Broschüre „Teenage Trouble Talk“, die ich entwickelt habe. Darin wird der hier vorgestellte Leitfaden ausführlicher erläutert. Darüber hinaus werden hilfreiche Anmerkungen zum Gesprächsführung gemacht und anhand kleiner Checklisten kann überprüft werden, ob man sich tatsächlich an den Leitfaden gehalten hat und welches Ergebnis das Gespräch gehabt hat. Vielleicht kann es auch Ihnen helfen, coolere und damit wirksamere Gespräche mit ihrem Teenager zu führen. Ich würde es Ihnen wünschen!
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Das Titelbild ist ein Foto von Svea-Anais-Perrine/photocase.com und zeigt keine im Artikel erwähnte Person