Lästige Gewohnheiten
In Teil II wurde ein Modell vorgestellt, dass über das Erkennen eines Ablaufs (Auslöser-Routine-Belohnung) eine bewusste Verhaltensänderung ermöglicht. Was aber, wenn eine bestimmte Gewohnheit fest verankert ist? Die Routine läuft ab, obwohl wir uns des Ablaufs sehr wohl bewusst sind?
Zum Beispiel Conny und ihre Fingernägel – so weit vorhanden
Unbemerkt ist das Kauen an ihren Fingernägel bei Conny zu einer lästigen Gewohnheit geworden. Sie kaut regelmäßig ihre Nägel mit den Zähnen ab – ohne dass sie das so richtig wahrnimmt. Für sie ist es wie eine Zwangshandlung, die unbewusst ausgeführt wird. Seit sie in ihrer neuen Stelle angefangen hat und mächtig unter Druck ist, sind ihre Fingernägel manchmal bis zum Nagelbett abgekaut. Wenn sie sich dann ihre Fingernägel ansieht, erschrickt sie, denn irgendwie weiß sie gar nicht, wie es so weit kommen konnte. Als Conny sich in ihrer neuen Stelle gut eingelebt hat, fangen ihre Nägel wieder an zu wachsen. Dann fängt es in der Freundschaft mit Mike an zu kriseln, die Wochenendbeziehung wird immer unbefriedigender – und die Fingernägel wieder kürzer. Das Fingernägelkauen hat wieder verstärkt eingesetzt. Conny kämpft dagegen an, aber sie kann gar nicht so schnell registrieren, wie ihre Finger schon wieder zwischen den Zähnen stecken. Sie weiß zwar, dass Fingernägel kauen ein Zeichen von Stress, Ängsten und Anspannung ist, aber dieses Wissen hat ihr bisher nichts geholfen. Sie ekelt sich vor ihren schlimmen Fingern, kann aber nicht damit aufhören.
Die Macht der inneren Bilder
Conny erlebt, dass so fest im Unbewussten verankerte Reaktionsweisen durch Willenskraft und feste Entscheidungen nicht wirklich verändert werden. Sie lernt die Macht innerer Bilder kennen, indem sie sich auf ein Experiment einlässt, das mit inneren Bildern arbeitet.
Das grundsätzliche Vorgehen
1. Das unerwünschte Verhalten benennen
Das Verhalten benennen, das als „lästige Gewohnheit“ verändert werden soll.
2. Auslösendes Bild und der Point of no Return
Finden des letzten Bildes, das dem unerwünschten Verhalten bzw. der Zwangshandlung unmittelbar vorausgeht, also des Punktes, von dem an es kein Zurück mehr gibt. Dieses Bild ist mit negativen Gefühlen verbunden. Das unerwünschte Verhalten erscheint grau und unattraktiv.
3. Zielbild
Finden eines positiven, kraftvollen Selbstbildes, bei dem sich die Person selber als stark, voller Ressourcen und Energie sieht. Es kann auch sein, dass sie sich dabei zusieht, wie sie etwas Attraktives, Schönes oder Angenehmes tut. Das Zielbild zeigt, was statt des unerwünschten Verhaltens sein könnte.
4. Überlagerung des auslösenden Bildes durch das Zielbild
Durch eine schnelle „Wischblende“ (eine gängige Überblendtechnik z.B. in Filmen) wird das Auslöserbild durch das Zielbild überlagert. Diese „Auslöschung“ eines mentalen Bildes durch ein anderes wird durch Wiederholungen der Übung im Unbewussten verankert.
5. Erfolgscheck
Wenn es mit jeder Wiederholung immer schwerer fällt, sich das Auslöserbild vor Augen zu führen, ist die Überlagerung erfolgreich gewesen.
Conny lernt den „Sssswish“
Das praktische Vorgehen wurde bereits am Beispiel von Friedhelm vorgestellt. Wie sieht es bei Conny aus?
Conny schließt die Augen, atmet ruhig und gleichmäßig und stellt sich eine große, weiße Filmleinwand vor.
Auf diese Leinwand projiziert sie ein Schwarz-Weiss-Bild, das sie in typischer Nägel-Kau-Situation zeigt – und zwar genau die Szene, wenn das Kauen beginnt. Sie versetzt sich innerlich in die Situation und malt sich das Bild drastisch aus: Sie sitzt abends auf der Couch und liest eine Zeitschrift. So richtig kann sie sich nicht konzentrieren, weil sie immer wieder mit Unbehagen an ihre Situation auf der Arbeitsstelle oder voller Angst an Mike denkt, wie es mit ihm weiter gehen soll. Sie fühlt sich einsam und frustriert. Während sie auf die Zeitschrift schaut, geht ihre Hand unwillkürlich zum Mund und sie fängt an, den Nagel des Zeigefingers zu kauen.
Es entsteht so auf der Leinwand ein plastisches Auslöser-Bild: Während sie liest, geht die Hand unwillkürlich zum Mund.
Jetzt löscht Conny das Bild, die Leinwand wird für einige Sekunden weiß
Nun baut Conny auf der Leinwand ein positives Bild auf – in Farbe. Sie stellt sich vor, wie sie anders aussehen würde, wenn sie die gewünschte Veränderung (kein Nagelkauen mehr) bereits erreicht hätte. Dabei sieht sie sich entspannt in einem Cafe sitzen. Sie sieht gut und attraktiv aus. Sie fühlt Kraft und Selbstbewusstsein. Ein Lächeln zieht auf ihr Gesicht. Als das Bild steht, dreht sie am (imaginären) Farbregler und macht das Bild so farbig, prächtig und positiv wie möglich. Sie genießt diesen Augenblick!
Jetzt löscht sie das Bild langsam auf der Leinwand, bis diese wieder weiß ist.
Mit diesen beiden Bildern macht Conny die Überblend-Übung („Wisch“) Sie schließt die Augen und baut auf der Leinwand zunächst das negative Schwarz-Weiß-Bild wieder auf. Als es steht, stellt sie in der unteren linken Ecke das positive farbige Ziel-Bild in einem Kleinformat auf die Leinwand. Dann kommt es: Sie lässt das kleine Farbbild in einem „Wisch“ von links unten nach rechts oben das Schwarz-Weiss-Bild überlagern – schnell, als „sssswish“. Danach macht sie die Leinwand wieder weiß und blinzelt kurz mit den Augen.
Conny wiederholt diesen „Wisch“ schnell hintereinander 10 mal: Auslöser-Bild >> kleines positives Bild >>„sssswish“ >>Positives Bild in groß überlagert Auslöser-Bild >> Weiße Leinwand >>blinzeln. Bei den ersten Wiederholungen tut sich Conny schwer, die Bilder schnell aufzurufen und die Überblendung durchzuführen. Mit jeder Wiederholung wird sie schneller, beim zehnten Mal dauert der „ssswish“ nur einige Sekunden, bei der zwanzigsten Wiederholung nur noch ca. zwei Sekunde.
Dabei merkt sie: Es ist schwierig, das erste Bild festzuhalten. Es verblasst gleich, und das andere Bild erscheint. Was sie nicht merkt: Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Wisch seine Wirkung entfaltet.
Es wirkt – nicht nur bei Conny
Trotz einiger kleiner Rückfälle merkt Conny, dass es ihr gelingt, das Nägelkauen abzulegen – sogar in der Zeit, als sie sich von Mike trennt.
Wenn sich der Erfolg nicht einstellen will, kann es an Folgendem liegen:
- Zu wenige Wiederholungen
- Das Auslöserbild ist nicht der Point of no Return, sondern davor oder zu spät
- Das Zielbild ist nicht attraktiv genug
Weitere Möglichkeiten, um „lästige Gewohnheiten abzubauen“
Dies ist der letzte Teil der Serie über „Schlechte Gewohnheiten ablegen – nur eine Frage der Entscheidung und des Willens?“
Bereits erschienen sind:
Teil I : „Kairos“ – oder den günstigen Augenblick beherzt nutzen!
Teil II: Das Duhigg-Modell – oder das Wissen über die Wirkungsweise von Gewohnheiten nutzen
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Ihre Gedanken gefallen mir sehr gut.