Warum bin ich beim ersten Abendessen mit Helge so gehemmt?
Auf dem Weg zum ersten Abendessen mit ihrem neuen „Bekannten“ gehen Monika viele Gedanken durch den Kopf. Sie erinnert sich an vergleichbare Situationen in der jüngsten Vergangenheit, in denen die Begegnung nicht gut gelaufen ist. Typisch, denkt sie, das war schon bei meiner ersten Liebe in der Schule so, wo sie böse abgeblitzt ist. Ihre Schritte werden immer zögerlicher. Als sie schließlich zum Tisch kommt und Helge begrüßt, ist sie innerlich wieder die picklige Teenagerin, von der die Jungs damals nichts wissen wollten…und heute bestimmt auch nicht. Dabei sieht sie hinreißend aus, was auch Helge nicht verborgen bleibt. Im Laufe des Essens will jedoch kein anregendes Gespräch zustande kommen. Monika ist gehemmt, was sonst nicht ihre Art ist. Helge ist ein toller Typ, aber sie ist offensichtlich nicht attraktiv genug für Männer wie Helge…
Typische Situationen, in denen es auf die Wirkung als Person ankommt
Das erste Abendessen mit der neuen Bekanntschaft, das Vorstellungsgespräch für eine neue Arbeitsstelle, die Präsentation des neuen Projekts vor dem Vorstand, der erste Besuch bei den Schwiegereltern…. solchen Situationen ist gemeinsam, dass es auf die Wirkung als Person ankommt.
Kann ich diese Wirkung beeinflussen? Kann ich im Vorfeld Entscheidungen treffen, die meine Wirkung positiv beeinflussen? Traditionell wird diese Frage mit ja beantwortet: Man/frau schenkt dem Äußeren besondere Aufmerksamkeit und wappnet sich mit „Gesprächs-Themen“, die man/frau anschneiden will und kann.
Das wirft jedoch Fragen auf:
Sind das die richtigen Entscheidungen zur Wirkungs-Verstärkung?
Wie entsteht überhaupt eine persönliche Wirkung – oder: ich bin wie ich bin und ich bin viele
Wie entsteht überhaupt eine persönliche Wirkung? Das ist in fast jedem Kriminalroman zu lesen. Wenn die Polizei das Umfeld eines Mordopfers befragt, ergibt sich oft ein ganz unterschiedliches Bild der gleichen Person, je nachdem, ob es sich um ein Familienmitglied handelt oder einen Arbeitskollegen, einen Tennispartner oder einen engen Freund. Das macht deutlich: Von den vielen Facetten unserer Persönlichkeit werden jedoch in verschiedenen Situationen und Begegnungen nur Teile sichtbar. Der nette Kollege wird auf dem Fußballplatz zum Hooligan, die chaotische Mutter gilt in der Firma als die Top-Organisatorin. Auf Partys wirkt Caroline schüchtern und zurückhaltend, während ihre Chefs und Arbeitskollegen sie als souverän und voller Selbstvertrauen erleben. Während Chris in der Familie als „Schluffie“ gilt, ist er im Büro absolut pünktlich, organisiert und zuverlässig.
Das bedeutet nicht, dass jeweils andere „Rollen“ gespielt werden, sondern bestimmte Anteile unserer Persönlichkeit werden in bestimmten Situationen aktiviert, während andere dort nicht in Erscheinung treten. .
In Situationen, in denen die persönliche Wirkung eine große Rolle spielt, geht es deshalb nicht darum „eine Show abzuziehen“, sondern die vorhandenen Qualitäten der eigenen Persönlichkeit für die spezielle Situation optimal zur Geltung zu bringen. Wer versucht zu sein, was nicht „in ihm steckt“, wirkt unglaubwürdig. Und wer in einer Situation, in der es auf die persönliche Wirkung ankommt, nicht sichtbar machen kann, was ihn ausmacht, hat eine wichtige Chance verschenkt.
Die ersten vier Minuten entscheiden
Ein Phänomen, das wir alle kennen: Man begegnet einer fremden Person und hat sich sofort ein Bild gemacht. Innerhalb der nächsten Minuten wird dieses Bild nochmals verfeinert, selten auch revidiert. Danach steht die Einschätzung dieser Person ziemlich fest.
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Fest und begegnen einem ihnen bisher unbekannten Menschen. Was passiert?
Kann man diesen Eindruck von sich selbst aktiv beeinflussen? Ja und Nein
Nein, denn jedes „Rollenspielen“ wird ziemlich bald entlarvt. Wer versucht etwas zu spielen, was er nicht wirklich ist (d.h. was als Möglichkeit tatsächlich nicht in ihm/ihr steckt), wird meistens schon innerhalb der ersten vier Minuten einer Begegnung als unglaubwürdig entlarvt. Bei guten Selbstdarstellern dauert es nur etwas länger.
Ja, wenn es darum geht, nicht verkannt zu werden, sondern zu zeigen, was in einem steckt. Sende ich durch mein Auftreten die richtigen „Signale“ aus, die dem Gegenübers zeigen, wer ich bin und was er/sie von mir erwarten kann? Das kann ich beeinflussen!
Doris stellt sich bei einem schwäbischen Mittelständler vor
Ein Mittelständler sucht eine tüchtige Mitarbeiterin für die Buchhaltung, die seit 30 Jahren von Frl. Maier (mit „ai“, darauf legt sie Wert) geleitet wird. Doris ist eine erfahrene, zuverlässige und gut qualifizierte Buchhalterin mit exzellenten Zeugnissen und sehr guten EDV-Kenntnissen. In der Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch trifft sie zwei Entscheidungen: Sie wird sich chick kleiden. Man soll nicht denken, dass sie eine graue Büromaus ist. Für ihr Auftreten hat sie sich überlegt, dass sie das Gespräch ganz offensiv und selbstbewusst angehen wird. Als sie das Besprechungszimmer betritt, ist sie sich zunächst der verstohlenen Bewunderung der anwesenden Herren sicher. Als sie dann gebeten wird, etwas über sich und ihren Werdegang zu sagen, legt sie los. Sie ist hypernervös und berichtet vor allem davon, wie beliebt sie in ihren bisherigen Arbeitsstellen gewesen ist. Nachdem sie ca. 15 min ohne Punkt und Komma ihre persönlichen Vorzüge dargestellt hat, wird sie von ´Frl. Maier mit ai´ ziemlich rüde unterbrochen: „Vielen Dank, ich denke wir können uns jetzt ein gutes Bild von Ihnen machen; Sie hören dann von uns.“ Doris erhält wenige Tage später eine Absage.
Es fehlt oft das geeignete Priming!?
Priming? Was ist das denn, nie gehört!
Schade, denn dann wissen Sie nichts von dem wirkungsvollsten Förderer bzw. Hemmschuh in Bezug auf die persönliche Wirkung!
Der Begriff stammt aus der Sozialpsychologie. Demnach nimmt das Gehirn an bestimmten Knotenpunkten unbewusste Weichenstellungen vor, mit denen eine bestimmte „Bahnung“ vorgenommen und damit eine bestimmte Richtung im Denken und Handeln eingeschlagen wird. Einfaches Experiment: Wenn jemand am Ende eines kurzen Gesprächs über Geld gebeten wird, eine „Bank“ zu beschreiben, wird er in der Regel ein Gebäude beschreiben. Anders ist es, wenn vorher über Parks und Leben im Grünen gesprochen wurde. Er wird sicher eine Bank im Park beschreiben. Dabei wird der sogenannte Priming-Effekt sichtbar:
Ein vorangegangener Reiz aktiviert unbewusst ganz bestimmte Gedächtnisinhalte. Solch ein bahnender Reiz kann ein Wort, ein Bild, ein Geruch, eine Geste oder Ähnliches sein. Frappierend ist das Experiment, bei dem Testpersonen Sätze über das Altern formulieren sollten. Anschließend wurden sie einzeln gebeten, in ein Zimmer am Ende eines Gang zu gehen, um weitere Tests zu machen. Testpersonen einer Vergleichsgruppe sollte Sätze über Bewegung und Fitness formulieren und dann ebenfalls zu weiteren Experimenten den Gang herunter gehen. Was beide Gruppen nicht wussten: Es wurde die Zeit gemessen, die sie für den Gang gebraucht haben. Das Ergebnis war eindeutig: Die Versuchspersonen, die die Altern-Sätze gebildet hatten, gingen eindeutig langsamer!
Priming wirkt!
Wie kann man den Priming-Effekt nutzen?
Haben Sie schon mal Leistungssportler oder Schauspieler in der Zeit vor dem entscheidenden Auftritt beobachtet? In der Regel nicht, weil deren „Priming“ im Verborgenen, hinter den Kulissen geschieht.
Es besteht standardmäßig aus zwei Übungen:
1. Mentales Priming:
In der mentalen Vorstellung werden die kommenden Abläufe im Geiste durchgegangen und die Konzentration richtet sich ganz auf den erfolgreichen Auftritt.
2. Aktivierungsübungen
Aufregung und Lampenfieber lähmen. Diese Anspannung kann man mit gezielten Körperübungen lösen.
Monika und Doris treffen eine Entscheidung
Als Monika einige Wochen später von ihrem absoluten Traummann zum Essen eingeladen wird, trifft sie im Vorfeld eine Entscheidung. Sie parkt etwas weiter weg und geht den Weg zum Lokal mit schnellen, kräftigen Schritten, Kopf hoch, Brust raus. Dabei denkt sie bewusst an ihre erste große Liebe. Als Monika dann etwas außer Atem im Lokal ankommt und sich von Fred aus dem Mantel helfen lässt, ist sie im perfekten „Vorstartstadium“ (wie es ein Läufer nennen würde, der in den Startlöchern für den Lauf bei Olympia steht)…
Auch Doris beschließt ein besonderes Priming durchzuführen, bevor sie in das nächste Bewerbungsgespräch geht. Als sie in dem mehrstöckigen Verwaltungsgebäude ankommt, nimmt sie nicht den Aufzug, sondern geht die Treppe dreimal rauf und runter. Dabei zählt sie von 100 rückwärts, und jede dritte Zahl doppelt…100,99,98, 98, 97,96 95,95….Als sie das Besprechungszimmer betritt, ist sie cool und konzentriert, nicht so überdreht wie beim letzten Mal…
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Danke für den treffenden Artikel. Ähnliche Situationen habe ich auch schon erlebt. Auch wenn ich um die Hintergründe weiß, brauche ich eine gewisse Zeit mich zu fokusieren. Leider gelingt es nicht mir nicht immer.