Entscheidung treffen oder warum die Frage nach dem „Warum“ eine Entscheidung erschweren kann!

entscheidung wozu

Entscheidung – Heike kann in Hamburg nicht Fuß fassen – Ein Beratungsdialog

(gekürzt und anonymisiert)

Heike:
„Ich plage mich jetzt schon monatelang mit einer Entscheidung herum. Ich habe mein ganzes Leben in Köln verbracht. Hier fühle ich mich wohl, hier lebt meine Familie, hier habe ich Freunde. Vor drei Jahren ist meine feste Partnerschaft in die Brüche gegangen, nachdem ich meine Stelle als PTA gewechselt hab. In der neuen Apotheke musste ich deutlich mehr arbeiten, mein Partner macht ebenfalls reichlich Überstunden und irgendwann haben wir uns dann auseinander gelebt, mit einer ganz schlimmen Trennung. Nach einem Jahr habe ich mich in Kurt, einem Apotheker bei uns verliebt. Ich habe dann schweren Herzens die Entscheidung getroffen, mit ihm nach Hamburg zu ziehen, wo er holterdipolter die Apotheke seines Vaters übernommen hat, der plötzlich gestorben ist. Wir haben schnell geheiratet, denn ziemlich bald und ziemlich ungeplant war unsere Tochter Leoni unterwegs. Eigentlich sieht alles gut aus.“

Berater:
„Sie verwenden das Wort eigentlich; das weist darauf hin, dass doch nicht alles gut ist, oder?“

Heike: „Die Apotheke läuft gut, mit der Schwiegermutter komme ich klar. Aber ich bin hier immer unzufriedener und mürrischer geworden. Ich bin hier einfach unglücklich und kann mich hier nicht heimisch fühlen. Ich möchte unbedingt wieder ins Rheinland zurück. So oft wie möglich fahre ich zu Besuch nach Köln. In der letzten Zeit habe ich oft mit meinem Mann über die Entscheidung gesprochen, ob wir nicht wieder ins Rheinland zurückgehen können. In Hamburg sind mir die Menschen einfach zu distanziert und strahlen so wenig Lebensfreude aus.“

Berater: „Wie sieht Ihr Mann denn diese Entscheidung?“

Heike: „Der versteht das nicht und ist ja auch an die Apotheke gebunden. Ich frage mich ja selbst oft, warum ich mich mit der Situation nicht einfach arrangieren kann. Warum bin ich so unflexibel? Warum habe ich solches Heimweh nach Köln? Hier gibt es doch auch nette Menschen, warum bin ich trotzdem so unzufrieden? Wenn das so weitergeht, habe ich Angst, dass die Beziehung auseinandergeht, ich bin ja wirklich oft nörglerisch und unzufrieden.“

Berater: „Sie stellen sich viele Warum-Fragen: Warum kann ich mich nicht ändern? Warum ist es überhaupt so weit gekommen? Warum bin ich unzufrieden?
In wie weit haben Sie die Warum-Fragen bisher einer Lösung nähergebracht? Wie schätzen Sie das ein?“

Heike: „Nicht wirklich, ich mache mir nur noch mehr Selbst-Vorwürfe und werde nur noch verzagter.“

Berater: „Was wäre, wenn Sie sich statt der Frage nach dem Warum ihrer Unzufriedenheit die Frage nach Wozu stellen würden. Wozu ist mein Verhalten gut? Welchen Nutzen hat meine Unzufriedenheit?
Will ich mit meiner spürbaren Unzufriedenheit etwas bewirken? Wenn ja, was?
Oder will ich damit auf jeden Fall etwas sicherstellen? Was?
Oder will ich damit unbedingt etwas vermeiden?
Oder traue ich mich nicht, etwas offen anzusprechen und wähle deshalb einen indirektem Weg ?

Heike: „Das verstehe ich nicht!“

Berater: „Die Frage nach dem Wozu, d.h. nach der Funktion bzw. dem Nutzen eines „Problems“ ist da besonders hilfreich, wo verdeckte Konflikte bewusst gemacht machen können, die im Augenblick nicht direkt angesprochen bzw. sich selbst nicht eingestanden werden können. In Ihrer Situation könnte das vieles sein: uneingestandene Depression, Unzufriedenheit mit der Partnerbeziehung, Bindung an den ersten Ehemann, Verantwortung für Eltern in Köln, verdeckte Konflikte mit der Schwiegermutter, Unzufriedenheit mit der Rolle als Hausfrau und Mutter und so weiter und so weiter…“

Heike: „Das finde ich jetzt aber heftig. Wollen Sie mir etwa unterstellen, dass ich nicht offen rede und meine Unzufriedenheit als Manipulationswaffe einsetze , um meine Entscheidung durchzusetzen? Ich glaube, Sie verstehen gar nicht, wie mir die Situation zu schaffen macht, Sie nehmen mich in meiner inneren Not nicht ernst! Ich glaube ich möchte das Gespräch jetzt gerne beenden!“

Berater: „Ich verstehe Ihre Entscheidung sehr gut. Darf ich Ihnen dennoch ein Frage mit auf den Weg geben?“

Heike: „Wenn es sein muss, bitte.“

Berater: „Was müssten Sie angehen, wenn Ihre Unzufriedenheit mit „Hamburg“ nicht da wäre? Wenn es klar wäre, dass Sie den nächsten Lebensabschnitt hier verbringen, was würden Sie dann unabdingbar angehen wollen/müssen, einfordern, verändern? Welche Entscheidung müssten Sie dann möglicherweise treffen?
Ich danke Ihnen für Ihr bisheriges Vertrauen. Wenn Sie möchten, können wir das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen. Melden Sie sich doch einfach wieder.“

Die Warum- Frage lässt im Kreise drehen, die Wozu-Frage setzt in Bewegung

Das Gespräch mit dem Berater hat Heike keine Ruhe gelassen. Der „Denkanstoß“, der darauf abzielt, das Wozu, den möglichen Nutzen von Heikes Problem zu klären, geht ihr nach. Schließlich trift Sie eine folgenreiche Entscheidung.

Nach knapp einem halben Jahr bittet Heike um einen neuen Termin

Heike:
„Es tut mir leid, dass ich damals das Gespräch so abrupt und barsch abgebrochen habe. Inzwischen ist einiges passiert. Ich habe mir eingestanden, dass ich eigentlich nicht mit der Schwiegermutter im Elternhaus der Eltern leben will, obwohl das in vielerlei Hinsicht ideal ist. Ich bleibe da immer ein Anhängsel. Mein Mann ist hier zuhause, ich nicht. Nur, daran zu denken, irgendwo anders ein eigenes Haus zu kaufen und gemeinsam irgendwo anzufangen, habe ich mir innerlich verbeten. Denn das ginge finanziell überhaupt nicht und es gäbe einen riesigen Familienstreit, weil das Erbe der Apotheke mit der Auflage verbunden ist, für die Mutter zu sorgen. Ich habe mir den Denkanstoß von damals aber dann doch mal ernsthaft durch den Kopf gehen lassen: Was wäre, wenn meine Unzufriedenheit mit Hamburg dazu dienen würde, einen riesigen Familien- und Ehekrach zu vermeiden? Inzwischen habe ich mich in der Spielgruppe mit einer anderen Mutter angefreundet und zum ersten Mal mit jemandem offen darüber gesprochen. Sie hat gesagt, dass ich das doch einfach auch mit meinem Mann ansprechen soll.“

Berater: „Jetzt bin ich gespannt!“

Heike: „Wie vermutet hat das einen richtigen Familienkrach gegeben, als ich das angesprochen habe: Ich sei egoistisch, verantwortungslos und undankbar gegenüber der Mutter, das Geld wäre nicht da, die Apotheke müssen erst wieder auf Vordermann gebracht werden, wenn ich immer so unzufrieden sei, solle ich doch wieder nach Köln gehen usw. Zeitweise habe ich dann auch wieder in Köln bei meiner Schwester gelebt. Aber, oh Wunder, nach Rücksprache mit dem Steuerberater haben wir dann doch einen günstigen Kredit aufgenommen und ein tolles Haus etwas außerhalb gefunden. Wir dabei sind, uns gemeinsam etwas richtig Schönes aufzubauen. Jetzt kann ich mir auch vorstellen, dass wir ein zweites Kind haben, was sich mein Mann sehr wünscht. Meine Schwiegermutter war und ist mit der Entscheidung des Umzugs überhaupt nicht einverstanden und über den Schritt sehr enttäuscht. Aber über ihre Freude an ihrem Enkelkind sind wir uns wieder etwas näher gekommen.“
[…]

Wozu statt warum – Macht das für Sie auch einen feinen, aber substantiellen Unterschied? Oder sind das für Sie nur Sprachspielereien?

 
 
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